Als unsere Kirche 1021 gegründet wurde, war der gregorianische Gesang schon alt. Er entstand in seiner uns heute bekannten, fränkischen Form aus dem Altrömischen Choral unter starkem Einfluss des in Frankreich verbreiteten Altgallikanischen Liturgiegesangs und wurde um 800 von Karl dem Großen stark gefördert.
In St. Aposteln waren es wohl die Kanoniker des Stifts und die Chorknaben an der Stiftsschule, die den liturgischen Gesang gepflegt haben und durch jahrelanges Üben die Melodien und lateinischen Texte erlernen mussten.
Gregorianik ist ein einstimmiger Gesang, dessen Texte meist den Psalmen entnommen sind. Bei den Tonarten (Modi) handelt es sich nicht um Dur oder Moll, sondern um acht sogenannte Kirchentonarten. Auch Takte und vorgegebene Tonlängen kennt die Gregorianik nicht, sondern die Melodieführung passt sich ganz dem Text an.
Im Laufe der Jahrhunderte ging bei der Aufführungspraxis aber viel von der Lebendigkeit der Gregorianik verloren und der Gesang wurde immer schematischer. Im Jahr 1802 war mit der Aufhebung des Stifts auch die Pflege der Gregorianik an St. Aposteln zu einem vorläufigen Ende gekommen.
Ab wann im 1876 gegründeten Chor der Pfarre St. Aposteln wieder Choral gesungen wurde, wissen wir nicht. Aber mit der Liturgischen Bewegung nahm Anfang des 20. Jahrhunderts auch die Gregorianik einen Aufschwung und das „Volkschoralamt“ gehörte, wie in fast allen größeren Gemeinden zum festen Bestandteil des Sonntags. Spätestens in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts sang die Schola unter Kantor Josef Zimmermann wieder regelmäßig im Hochamt.
Seit den sechziger Jahren verschwand das Lateinische Hochamt aber immer mehr aus den Gottesdienstplänen der Gemeinden. Und heute ist St. Aposteln die einzige Pfarrkirche in Köln und eine von nur dreien im gesamten Erzbistum, in der es jeden Sonntag gefeiert wird. Und doch erlebt die Gregorianik einen kleinen neuen Frühling:
Ausgehend von den bahnbrechenden Arbeiten der Benediktiner in Solesmes wurde die ursprüngliche Art des Singens wiederentdeckt. An Musikhochschulen und in wenigen Klöstern ist man weiter der ursprünglichen Schönheit dieses Gesanges auf der Spur. Und auch an St. Aposteln begleiten wir diesen Weg und singen seit 2017 nach dem im Jahr 2011 herausgegebenen Graduale Novum und vertiefen uns in die „Neumen“. Das sind handschriftliche Dirigierzeichen, die Mönche aus St. Gallen, Einsiedeln, Metz und anderen Klöstern vor über tausend Jahren den liturgischen Texten hinzugefügt haben.
Unsere Herrenschola singt jeden Sonntag sowie an allen Hoch- und Apostelfesten, oft auch im Wechsel mit der Damenschola. Und wir freuen uns, dass es in Köln und Umgebung (wieder) zwei Dutzend Scholen gibt.